Oma Krause kauft noch mehr Tomaten
Shownotes
In dieser Folge geht es tiefer hinein ins Strom- bzw. Tomatenbusiness. Ich spreche mit Catherine Schwarz, die bei 50Hertz im „Front Office“ arbeitet und an den Strombörsen treuhänderisch den Strom verkauft, den hunderttausende von Photovoltaik-Dachanlagen erzeugen und ins Netz einspeisen. Und sie kauft auch Strom an, um Netzverluste auszugleichen, die beim Transport und bei der Umwandlung von Strom entstehen. Das „Front Office“ ist also der Handelsraum für den börslichen Handel mit verschiedenen Stromprodukten.
Auch in dieser Folge vergleichen wir den Strom- mit dem Wochenmarkt, auf dem mit Tomaten gehandelt wird. Und hier schauen wir uns das sogenannte Merit Order Prinzip etwas genauer an, nach dem am Day Ahead Markt geboten und bezuschlagt wird. Unsere fiktive Einkäuferin, Oma Krause, will dort Tomaten ersteigern. Sie und ihre Kolleginnen und Kollegen benötigen zusammen 100 kg. Auf der anderen Seite gibt es verschiedene Bauern, die ihre Tomaten anbieten. Die Ökobauern bieten 50 kg an. Sie sind – man staune – auf diesem speziellen Markt am günstigsten. Ihre Produktionskosten und Gewinne haben sie bereits vorab erhalten, weil sie aufgrund des Öko-Tomaten Gesetzes (ÖTG) für jedes Kilo Tomaten 20 Jahre lang einen staatlich garantierten Preis erhalten. Dieses Geld erhalten sie aus einem Gemeinschaftstopf.
Damit in diesen Topf Geld zurückfließt, werden die Tomaten sehr günstig auf dem Tomatenmarkt angeboten. Der Markt ist sogar durch das ÖTG verpflichtet, diese Tomaten zu verkaufen. Daher sind die Öko-Tomaten konkurrenzlos günstig.
An unserem fiktiven Markttag können die spanischen Gewächshausbauern weitere 30 kg liefern, weil sie mit viel Sonne und in großen Plantagen sehr effizient produzieren. Die Holländer könnten auch 30 kg liefern, aber sie sind heute etwas teurer als die Spanier. Daher werden sie nur 20 kg los. Alle anderen, noch teureren Anbieter, verkaufen heute keine Tomaten, da die Nachfrage nach den 100 kg bereits durch die Öko-Bauern, die Spanier und teilweise die Holländer gedeckt ist. Oma Krause bietet also bei der Versteigerung mit.
Die Auktion wird dann geschlossen, wenn die Nachfrage nach den 100 kg Tomaten gedeckt wird. Wenn die holländischen Tomatenbauern ihre wenigen Tomaten jetzt für beispielweise ein Euro pro Kilo verkauft haben, dann ist das der finale Preis für sämtliche Tomaten. Anders ausgedrückt: Auch die Öko-Bauern und die Spanier, die ihre Tomaten für 20 oder 50 Cent angeboten haben, bekommen ein Euro und machen damit einen sehr guten Gewinn. Die Holländer hingegen werden weder alle Tomaten los, die sie produziert haben, noch erhalten sie eine gute Gewinnmarge. Auf diese Weise werden diejenigen belohnt, die günstig Tomaten produzieren.
Nach diesem Prinzip funktioniert auch der Strommarkt. Dabei spielen die sogenannten „Grenzkosten“ eine entscheidende Rolle bei der Preisbildung. Solar- und Windkraftanlagen haben keine Grenzkosten, weil jede Kilowattstunde ohnehin vergütet wird und es kaum einen Unterschied macht, ob sie nur eine Stunde am Tag Strom erzeugen oder fünf Stunden. Atomkraftwerke haben ebenfalls relativ geringe Grenzkosten. Sie laufen schon sehr lange, die Investitionen sind abgeschrieben, die Brennstoffkosten niedrig und die Kraftwerke sind darauf ausgelegt, kontinuierlich Strom zu liefern.
Bei anderen fossilen Kraftwerken fallen jedoch Grenzkosten in unterschiedlicher Höhe an, weil sie für den Einkauf von Kohle, Erdgas oder Öl – außerdem für CO2-Emissionszertifikate – Geld bezahlen müssen. Und sie brauchen viel Personal zum Betrieb der Kraftwerke. Aus diesen unterschiedlichen Grenzkosten ergibt sich eine bestimmte Reihenfolge, welcher Strom aus welchen Kraftwerken an der Strombörse zum Zuge kommt. Das ist die sogenannte Merit Order – die Einsatzreihenfolge von Kraftwerken.
Mehr Informationen zu diesem Thema gibt es u.a. hier:
https://www.50hertz.com/de/Markt https://www.next-kraftwerke.de/wissen/strommarkt https://www.smard.de/page/home/wiki-article/446/384
Impressum: Der Podcast „Strom zum Anfassen“ ist eine Produktion von Klangkantine Studios im Auftrag von 50Hertz.
50Hertz Transmission Bereich Kommunikation & Politik Heidestraße 2 10557 Berlin http://www.50hertz.com/ podcast@50hertz.com
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